Bittet der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk doppelt zur Kasse? Es scheint so, denn einerseits wird der Rundfunkbeitrag von allen Bürgerinnen und Bürgern erhoben, gleichzeitig reicht aber nach einer aktuellen Studie bei über der Hälfte der zahlreichen freien Film- und Fernsehschaffenden in Deutschland das Einkommen nicht zum Ansparen einer adäquaten Rente, so dass die Bürger für dieses Versäumnis später erneut aufkommen müssen, und zwar auf dem Umweg über die Sozialkassen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es scheinheilig, den Rundfunkbeitrag "im Namen des Volkes" zu senken, solange die Budgets für Film- und Fernsehproduktionen nicht einmal geeignet sind, eine ausreichende Rentenvorsorge der vielen freien Film- und Fernsehschaffenden zu ermöglichen. Als im Oktober 2016 zur Ministerpräsidentenkonferenz eine solche Senkung dennoch drohte, organisierte fairTV eine Allianz mehrerer Berufsverbände der Branche und verfasste auch in deren Namen einen offenen Brief an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder. Darin wurde auf die genannten Umstände hingewiesen und wurden effektive Gegenmaßnahmen gefordert, um künftig drohende Altersarmut von Kreativen in Film und TV zu vermeiden.

 

Offener Brief an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder

 

Neuregelung der Haushaltsabgabe auf der MPK 26.-28.10.2016

 

Sehr geehrte Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten,

die Zahlen sind alarmierend: der überwiegende Teil der Film- und Fernsehschaffenden in Deutschland kann nicht vollumfänglich von seinem Beruf leben, wodurch über die Hälfte der Befragten nicht in der Lage ist, ausreichend für Absicherung im Alter vorzusorgen. Dabei erhalten über 55% der Freien und Selbstständigen in der Branche bisher nur „teilweise oder niemals“ tarifähnliche Gagen, so die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Vereinigung der Berufsverbände Film und Fernsehen, „Die Filmschaffenden“ e.V., welche kurz vor der Veröffentlichung steht.*

Zu großen Teilen verantwortlich ist dafür der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der außerhalb seiner Festanstellungen in immer knapperen Budgets bereits viel zu niedrige Honorare für die zumeist freien und selbstständigen Film- und Fernsehschaffenden vorsieht und ferner in seinen Verträgen mit den Produzenten und sogenannten „technischen Dienstleistern“ bisher in keiner Weise verbindlich sicher stellt, dass kalkulierte Honorare auch an die Film- und Fernsehschaffenden weitergegeben werden.

Dies ist ein Skandal in mehrfacher Hinsicht! Denn nicht nur ist es für einen öffentlich-rechtlichen Auftraggeber unhaltbar, derart wenig Verantwortung für die Allgemeinheit zu übernehmen – selbst die Baubranche kann das inzwischen besser –, darüber hinaus droht eine zusätzliche Belastung der Bürger unseres Landes durch die Querfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf dem Umweg über die Sozialkassen: Wer zu Erwerbszeiten keine ausreichende Altersvorsorge anspart, weil er das systemimmanent gar nicht kann, der bekommt im Alter Grundsicherung aus Steuermitteln. Die Bürger würden dadurch doppelt zur Kasse gebeten. Vor diesem Hintergrund wirkt die geplante Senkung der Haushaltsabgabe wie eine Mogelpackung, und angesichts der schwindenden Akzeptanz der Sender in der Öffentlichkeit ist das eine gefährliche Situation für die Zukunft des gesamten öffentlich-rechtlichen Modells in Deutschland.

Wir fordern Sie aus diesen Gründen dringend auf, keine Senkung der Haushaltsabgabe zu beschließen!

Sorgen Sie stattdessen dafür, dass die KEF bei den Bedarfsanmeldungen der Sender die für soziale Absicherung und Altersvorsorge einzuplanenden Beträge auch bei allen Auftragsproduktionen sowie bei Auslagerung von Aufgaben an die sogenannten „technischen Dienstleister“ einfordert. Dies muss gleichermaßen für  rechnungstellende Subunternehmer und Soloselbstständige wie auch lohnsteuerpflichtig Beschäftigte gelten.

Grundsätzlich sind deutliche Investitionen in den Personalkostenanteil der Programmbudgets nicht nur aus den genannten Gründen unbedingt notwendig. Gleichzeitig muss in den Vergaberichtlinien für Aufträge flächendeckend und auch für alle Subunternehmer geltend sichergestellt werden, dass Tarife eingehalten und auch bei Freien und Soloselbstständigen Honorare gezahlt werden, die eine eigenverantwortliche soziale Absicherung und Altersvorsorge überhaupt erst ermöglichen.

Abschließend weisen wir darauf hin, dass die allgemeine öffentliche Kritik sich derzeit nicht nur auf die Haushaltsabgabe bezieht. Vielmehr wird inzwischen auch die inhaltliche und künstlerisch-gestalterische Qualität von Produktionen der öffentlich-rechtlichen Sender massiv in Frage gestellt. Wir sehen das bereits als Folge des kontinuierlichen Sparkurses der letzten Jahre, insbesondere bei Honoraranteilen von Budgets für die Bezahlung der Freien und Soloselbstständigen, welche die Programme zu großen Teilen herstellen. Wenn wir in Deutschland einen zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten wollen, dann muss es jetzt darum gehen, in der Bevölkerung die Akzeptanz für die Sender wieder zu erhöhen, was konsequenterweise eine Stärkung der Programmetats bedeutet.
Dafür ist die Senkung der Haushaltsabgabe der falsche Weg!

Bitte bedenken Sie diese Aspekte bei Ihrer Entscheidung.


Mit freundlichen Grüßen



Guntram Schuschke, fairTV e.V.
(Vorsitzender)

auch namens und mit Unterstützung von:


Die Filmschaffenden e.V.
Vereinigung der Berufsverbände Film und Fernsehen
Oberlandstr. 26 - 35
12099 Berlin

BVK Berufsverband Kinematografie e.V.
Baumkirchner Str. 19
81673 München

* Vorab-Auszug unter http://www.langermediaconsulting.de/page4/styled-5/index.html (inzwischen offline, bitte diesen Link benutzen, A.d.R.)